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Vom Ödland zum Wunderland: Die Transformation von Curitiba durch Grünflächen

Vom Ödland zum Wunderland: Die Transformation von Curitiba durch Grünflächen

Die bemerkenswerte Entwicklung von Curitiba, Hauptstadt des Bundesstaates Paraná und größte Stadt Südbrasiliens, von einer vernachlässigten Brache zu einem Modell für urbane Nachhaltigkeit durch die Umwandlung von Grünflächen, ist eine Geschichte, die mit entscheidenden Wendepunkten in den 1960er und 1970er Jahren begann.

Die Fortschritte der Stadt sind durch eine Reihe wichtiger Initiativen und innovativer Projekte gekennzeichnet. So wurde sich auf die Schaffung neuer Grünflächen, die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs und die Einbindung der Bevölkerung konzentriert. Diese Erneuerung kann anderen Städten als Anregung dienen, bei der Stadtplanung und -entwicklung dem Umweltschutz und dem öffentlichen Grün Vorrang einzuräumen.

Die Bewältigung einer historischen ökologischen Herausforderung

Die Umweltzerstörung beschleunigte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als in Curitiba aufgrund der Ausweitung der Landwirtschaft und der Stadtentwicklung umfangreiche Abholzungen stattfanden. Dies führte zu erheblichen Problemen mit Bodenerosion und Wasserverschmutzung in den örtlichen Flüssen. Hinzu kamen eine schlechte Landbewirtschaftung und fehlende Infrastrukturen, die zu Überschwemmungen führten. Diese beschädtigten Eigentum und bestehende Infrastrukturen und brachten Gesundheitsrisiken mit sich.

Die rasche Verstädterung führte in den 1950er Jahren zu einem Bevölkerungsboom in Curitiba. Auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten zogen Migranten aus ländlichen Gebieten und aus anderen Teilen Brasiliens in die Stadt. Der stetige Zustrom von Menschen führte zu einer ungeplanten Zersiedelung der Stadt. Dabei entstanden informelle Siedlungen (Favelas) ohne angemessene Infrastruktur, sanitäre Einrichtungen oder Dienstleistungen.

Die soziale Ungleichheit wurde zu einem noch größeren Problem. Viele neue Bewohner lebten in prekären Verhältnissen und hatten nur begrenzten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie sauberem Wasser und Gesundheitsversorgung. Das rasche Wachstum der Stadt vergrößerte die wirtschaftlichen Ungleichheiten, da die Armen in der Stadt oft keinen Zugang zu den Möglichkeiten und Annehmlichkeiten hatten, die den wohlhabenderen Einwohnern der Stadt zur Verfügung standen.

In den späten 1960er Jahren musste sich etwas ändern. Die Umgestaltung von Grünflächen sollte ein Eckpfeiler der Strategie für nachhaltige Entwicklung in Curitiba werden.

Die Grünflächen-Bewegung

Als der Architekt und Stadtplaner Jaime Lerner 1971 zum Bürgermeister von Curitiba gewählt wurde, kam die Grünflächenbewegung in Schwung. Der Masterplan von Curitiba aus dem Jahr 1968 bildete die Grundlage für die Bewältigung der Zersiedelung, der Verkehrsüberlastung und der Umweltprobleme. Lerner nutzte diese Plattform, um eine umfassende Vision für die Entwicklung Curitibas zu entwerfen, die Nachhaltigkeit und Lebensqualität in den Vordergrund stellt.

Die Grünflächenbewegung in Curitiba wurde von Lerner während seiner drei Amtszeiten als Bürgermeister bis 1992 visionär geführt. Innovative Maßnahmen, wie das Green Exchange Program, wurden eingeführt, um das Engagement der Bürger zu fördern.

Alle 15 Tage konnten an vielen verschiedenen Sammelstellen in der Stadt je vier Kilogramm Wertstoffe oder zwei Liter pflanzliches oder tierisches Öl gegen ein Kilogramm Obst und Gemüse getauscht werden. In späteren Jahren konnten die Bürger im Rahmen des Programms Wertstoffe gegen Fahrkarten und sogar Laptops eintauschen.

Der Erfolg von Curitiba ist auch auf das aktive Engagement der Gemeinde zurückzuführen. Die Stadtverwaltung bezog die Einwohner in den Planungsprozess ein. Sie förderte die Beteiligung der Öffentlichkeit an Umweltinitiativen, wodurch das Gefühl der Eigenverantwortung gestärkt wurde. Der Aktivismus an der Basis wurde ebenfalls gefördert. Durch Bildungsprogramme und Kampagnen wurde das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und die Bedeutung von Grünflächen wie Parks und Erholungsgebieten geschärft.

Sanierung und Rehabilitierung von Parks

Die Entwicklung von Grünflächen gehörte zu den wichtigsten Aspekten der Umgestaltung Curitibas. Die Stadt nutzte ihre natürlichen Ressourcen und schuf Parks, Gärten und Grünflächen, die mehreren Zwecken dienten:

  • Hochwasserschutz: Parks und Grünflächen wurden so angelegt, dass sie als Überschwemmungsgebiete dienen und den Wasserabfluss der Stadt wirksam steuern. Zu den bemerkenswerten Beispielen gehört der Barigui-Park, der bei starken Regenfällen als natürliches Reservoir dient. Er ist mit Rad- und Wanderwegen verbunden und für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer leicht zugänglich.
  • Erholungsgebiete: Diese Grünflächen boten den Bewohnern Bereiche für Freizeit und Erholung. Dies ganz im Sinne des ursprünglichen Ziels von Lerner, die Lebensqualität der Bewohner der Stadt insgesamt zu verbessern. Beispielsweise wurde der 42.000 Quadratmeter große Tanguá-Park 1996 eröffnet, nachdem die ursprünglichen Pläne für eine Recyclinganlage für Industrieabfälle aufgegeben und das Gelände umgewidmet worden war. Im Park befinden sich zwei Steinbrüche, die durch einen 45 Meter langen Tunnel verbunden sind, sowie der Garten Poty Lazzarotto. Außerdem gibt es eine Laufstrecke, einen Radweg und einen Aussichtspunkt.
  • Umweltsanierung und Biodiversität: Die Schaffung von Parks und ökologischen Grüngürteln durch die Wiederherstellung ehemals geschädigter und verschmutzter Flächen trug zur Erhaltung der lokalen Flora und Fauna bei. Mit der Eröffnung des Botanischen Gartens von Curitiba im Jahr 1991 kam es zu einer weiteren Verbesserung der städtischen Artenvielfalt.

Integrierte Stadtplanung und -gestaltung

Die Globale Plattform für nachhaltige Städte definiert die Grundsätze der integrierten Stadtplanung und -gestaltung: „Sie soll städtische Akteure in die Lage versetzen, die Auswirkungen globaler Agenden in ihrem spezifischen Kontext und entsprechend ihren Bedürfnissen zu erkennen, zu analysieren und zu bewältigen. Sie bietet einen prozessorientierten Ansatz, dessen entsprechende Schritte und Werkzeuge sich leicht in typische Planungszyklen integrieren lassen.“

Gemischte Flächennutzung, kompakte Bebauung und verkehrsorientiertes Design (das leicht zugängliche Verkehrsmittel ermöglicht) sind Merkmale der Umgestaltung von Curitibas Grünflächen, die diesen Prinzipien entsprechen. Wie wir bei der Neugestaltung der Parks gesehen haben, hat die Stadt durch die Verbesserung der Lebensqualität für ihre Bürger Räume für neue Verbindungen geschaffen, die das städtische Gefüge und die Grünflächen miteinander verknüpfen.

Sozioökonomische und gesundheitliche Vorteile

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, in einem Umkreis von 300 Metern um eine Grünfläche zu wohnen. Heute verfügt Curitiba über 60 Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner, fünfmal mehr als die von der WHO empfohlene Mindestgröße von 12 Quadratmetern. In den 1980er Jahren führte dies dazu, dass die Stadt international bekannt und von den Vereinten Nationen als ökologische Hauptstadt der Welt anerkannt wurde.

Die Grünflächen von Curitiba verbessern nachweislich die Luftqualität, verringern den Effekt städtischer Wärmeinseln und steigern das psychische Wohlbefinden der Einwohner. Die Umwandlung von Grünflächen hat nicht nur die Umweltbedingungen verbessert, sondern auch wirtschaftliche und soziale Vorteile gebracht. Die Entwicklung von Parks und Erholungsgebieten zog den Touristen an, förderte die örtliche Wirtschaft, schuf Arbeitsplätze. Die so verbesserte städtische Umwelt steigerte auch die Immobilienwerte.

In der Zwischenzeit hat die wachsende grüne Infrastruktur Plattformen für eine stärkere soziale Eingliederung geschaffen. Sie fördern den Zusammenhalt der Gemeinschaft und den bieten Bewohnern aller Altersgruppen und sozialen Hintergründe einen gleichberechtigten Zugang zur Natur.

Parallel dazu wurden Programme zur Verbesserung der Lebensbedingungen in informellen Siedlungen eingeführt, darunter Wohnungsbauprojekte, Bildungsinitiativen, Gesundheitsdienste und bessere Verkehrsmittel.

Grüne Mobilität und aktiver Verkehr

Ein ganzheitlicher Plan für grüne Mobilität und aktiven Verkehr legte den Grundstein für eine nachhaltige Stadtentwicklung mit Fußgängerwegen und Fahrradspuren. Wie der Barigui-Park ist auch der Tanguá-Park mit einem Netz grüner Korridore verbunden, die Radfahrern und Fußgängern reizvolle Strecken bieten.

Der Praça do Japão, ein kleinerer, thematisch gestalteter Park, ist ein weiterer Teil des Netzes grüner Korridore in der Stadt. Er bietet einen alternativen, ruhigen Raum in der städtischen Umgebung, der durch Fuß- und Fahrradwege verbunden ist. 

Die Vorteile für die Umwelt, die sich aus der Verringerung der städtischen Hitze, der Verbesserung der Luftqualität und der Bewältigung des Regenwasserabflusses ergeben, werden mit der Zugänglichkeit und der Vernetzung der Stadtbewohner über bewusst angelegte Wege und Pfade, die verschiedene Teile Curitibas miteinander verbinden, kombiniert.

Wir sehen, dass der Masterplan für Curitiba Umweltziele verfolgte und sich auch auf die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs konzentrierte.

Das in den 1970er Jahren eingeführte Bus-Rapid-Transit-System (BRT) von Curitiba wurde zum Vorbild für Städte auf der ganzen Welt für einen effizienten, erschwinglichen und nachhaltigen öffentlichen Nahverkehr. Eigene Busspuren, erschwingliche Fahrpreise und häufige Fahrten reduzierten Verkehrsstaus und Umweltverschmutzung. Im Einklang mit den Grundsätzen der integrierten Stadtplanung folgt das BRT-System den Grünflächen der Stadt, wobei viele Bushaltestellen in der Nähe von Parks und Erholungsgebieten liegen. Die Grüne Linie (Linha Verde) ist eine wichtige städtische Verkehrsader, die das BRT-System mit Grünflächen, Fahrradwegen und Fußgängerzonen verbindet. Sie ist ein Beispiel für das multimodale Verkehrskonzept.

Mit dem neuen Busverkehrssystem nahm die öffentliche Nutzung stetig zu. Der wurde Bus sowohl das billigste als auch das schnellste Verkehrsmittel. Dies förderte die aktive Mobilität und verringerte die Abhängigkeit vom Auto. In den späten 1980er Jahren stellten Lerner und seine Planer jedoch fest, dass der Zu- und Abfluss von Fahrgästen die Geschwindigkeit der Busse an den einzelnen Haltestellen beeinträchtigte.

Drei Innovationen folgten dem BRT: ein neues System erhöhter Bahnsteige (das futuristische „Röhren“-Bahnhofssystem, für das Curitiba berühmt geworden ist), das es den Fahrgästen ermöglicht, direkt vom Bahnhof in den Bus einzusteigen, ohne Treppen steigen zu müssen; längere Busse, um die Flottenkapazität zu erhöhen; und ein Vorauszahlungssystem, damit die Fahrer während der Fahrt keine Fahrscheine ausstellen und kein Geld kassieren müssen.

Herausforderungen und Lehren

Trotz seiner Erfolge steht Curitiba weiterhin vor Herausforderungen im Zusammenhang mit dem anhaltenden städtischen Wachstum, einschließlich der Aufrechterhaltung der Infrastruktur und der Dienstleistungen, um den Bedürfnissen einer wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden. Die Beseitigung der anhaltenden sozialen Ungleichheiten bleibt eine Priorität. Es sind weitere Anstrengungen erforderlich, um einen gerechten Zugang zu Chancen und Ressourcen zu gewährleisten. In einem 2021 in der Zeitschrift „Urbe“ veröffentlichten Papier wurde festgestellt, dass 46 Prozent der Bevölkerung Curitibas immer noch unter prekären Bedingungen leben, während nur 25 Prozent vollen Zugang zu städtischen Einrichtungen haben.

Die integrativen Systeme und innovativen Initiativen von Curitiba werden jedoch auch weiterhin andere Städte auf der ganzen Welt inspirieren. Die Stadt hat verschiedene Strategien und Praktiken eingeführt, um eine langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten, indem sie eines der erfolgreichsten Recyclingprogramme der Welt ins Leben rief, den Abfall erheblich reduzierte und das Umweltbewusstsein förderte. 

Strenge Flächennutzungsgesetze und -verordnungen haben die Zersiedelung der Landschaft verhindert und neu geschaffene Grünflächen vor Beeinträchtigungen geschützt. Laufende Bemühungen zur Förderung energieeffizienter Gebäude und erneuerbarer Energiequellen tragen ebenfalls zu den Nachhaltigkeitszielen der Stadt bei.

Die Errungenschaften Curitibas im Bereich der städtischen Nachhaltigkeit haben internationale Anerkennung gefunden. Die Stadt wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und dient Stadtplanern weltweit als Vorbild. Durch integrierte Planung und Einbindung der Bevölkerung hat sich Curitiba bemüht, eine widerstandsfähige und lebendige städtische Umwelt zu schaffen. 

Dieser Wandel hat nicht nur die Lebensqualität der Einwohner verbessert, sondern auch einen Maßstab für nachhaltige Stadtentwicklung gesetzt, der Städteplaner und politische Entscheidungsträger weltweit inspirieren wird.

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