Kategorien Architektur

Die Zukunft von BIM: interne Optimierung und volle Kompatibilität

Architecture, Building, Crowd

Trotz unterschiedlicher architektonischer Stile, Historie und Standorte haben die Westminster Abbey, der Mailänder und der Kölner Dom, der Palastkomplex der Alhambra und Stonehenge vieles gemeinsam. Nicht nur sind es bekannte Wahrzeichen, die jedes Jahr von Millionen von Menschen besucht werden; auch dauerte bei jedem einzelnen der fünf Bauwerke der Bau mehr als 500 Jahre. Innovationen im Bauwesen kennen wir seit etwa 5.000 v. Chr., als man in menschlichen Siedlungen begann, Metallwerkzeuge zu verwenden, um Materialien für bessere, haltbarere Häuser zu formen. Aber erst mit der zweiten industriellen Revolution im 20. Jahrhundert begannen Architekten und Bauherren, ihre Projekte wirklich zu kontrollieren und zu steuern.

Auch wenn das Bauwesen immer noch eine der ineffizientesten Branchen weltweit ist, lässt sich nicht leugnen, wie sehr der digitale Paradigmenwechsel es bereits verändert hat. Die Weiterentwicklung digitaler Technologien wie KI, VR, AR, IoT, Vorfertigung oder Drohnen bringt immer wieder einen enormen Mehrwert für Bauprojekte weltweit. Wenn jedoch ein Baustein allein für einen Großteil der positiven Veränderungen im Bauwesen verantwortlich ist, dann handelt es sich zweifelsohne um Building Information Modelling (BIM).

Seit seinem ersten Einsatz in den 1970er Jahren hat BIM das Bauwesen, wie wir es kennen, stark verändert. Unbestritten wird BIM in Zukunft eine prägende Rolle im Bauwesen einnehmen. Es stellt sich aber die Frage, ob die Art, wie BIM heute genutzt wird, nicht einer Überarbeitung bedarf.

Einsatz von BIM in allen Phasen des Lebenszyklus von Gebäuden

Auch wenn sich BIM als Standard für die Bauplanung bereits in vielen Bereichen etabliert hat, werden viele seiner wichtigsten Funktionen noch nicht ausreichend genutzt. Es stimmt zwar, dass entwicklungstechnisch betrachtet die Wurzeln von BIM im Bereich der Planungswerkzeuge liegen, doch im Kern ist es ein kontrollierter Prozess für Kommunikation und Zusammenarbeit. Daher erwarten Branchenkenner, dass Designer und Bauherren BIM zukünftig auch für Phasen außerhalb der Planung nutzen werden. Laut Jeremy Thibodeau, Leiter Construction Customer Success Amerika bei Autodesk, wird sich die Nutzung von BIM in Zukunft gleichmäßiger auf die Bauvorbereitung, die Baustelle sowie den Betrieb und die Wartung verteilen.

Wenn man es auf das Wesentliche herunterbricht, ist BIM ein Kommunikationswerkzeug. Die Zukunft von BIM besteht darin, das Modell in allen Phasen zu nutzen, um die Zusammenarbeit zu verbessern.

Jeremy Thibodeau, Amerika Leiter, Construction Customer Success bei Autodesk

Obwohl 82 Prozent der BIM-Anwender von einem positiven Return-of-Investment berichteten, setzten nur 41 Prozent die Software im Baubereich ein. Und obwohl BIM ein enormes Potenzial hat, die Betriebs- und Verwaltungskosten einer Anlage zu senken, sahen nur 14 % der US-amerikanischen Verwender die Möglichkeit, BIM auch in der Anlagenwartung nutzen zu können.

Daher glaubt Thibodeau – ebenso, wie viele andere in der Baubranche -, dass die Zukunft von BIM „Connected BIM“ ist, was zur Folge hat, dass durch Cloud-Technologien mehr von der End-to-End-Nutzung der Modelle profitiert werden kann. Dies wird es den Eigentümern oder Managern der Gebäude ermöglichen, ihre Anlagen kontinuierlich und automatisiert zu überwachen – ohne größeren Aufwand, aber mit reduzierten Wartungskosten. Mit anderen Worten: in der Zukunft optimiert BIM nicht nur den Entwurfsprozess, sondern auch andere praxisrelevante Aspekte, die im Gebäudelebenszyklus eine Rolle spielen, wie beispielsweise das Facility Management, die Kostenentwicklung oder die Informationsübergabe.

BIM-Schulungen sind bereits integraler Bestandteil einer Ausbildung im Bereich Planung und Konstruktion. Zukünftig wird jedoch erwartet, dass viele weitere Berufsgruppen, wie z. B. der Außendienst oder das Facility Management, umfassend in BIM ausgebildet werden. In absehbarer Zeit könnte dieses leistungsstarke Instrument bei jedem Fachmann im Bauwesen genauso allgegenwärtig sein wie Microsoft Office-Anwendungen.

Optimierte Gebäude: Interoperabilität wird die Zukunft von BIM bestimmen

Trotz der rasant zunehmenden Nutzung von BIM tendieren die meisten Bau- und Architekturbüros dazu, die Software nur dazu zu nutzen, Daten für die Visualisierung zu sammeln. Zwar mag BIM oft nur als computergestütztes Planungsprogramm gesehen werden, doch es kann viel mehr. „Wir entwerfen Gebäude manuell, geben Daten manuell ein und drucken sie dann manuell aus. Dieses System funktioniert größtenteils, aber es ist nicht sehr effizient“, sagt Bill Allen, CEO von EvolveLab.

Bauphasen außerhalb der Planung, wie Betrieb und Wartung, werden bei der Nutzung der Software eine größere Rolle spielen. Demnächst wird es bei BIM also um die Optimierung von Gebäuden gehen, und nicht nur um Daten und Design.

Laut Bill Allen werden wir in der Zukunft nicht mehr nur Daten sammeln und darüber berichten, sondern Daten nutzen, um unsere Entwürfe zu entwickeln. Auch werde die Cloud softwareunabhängig sein und uns in die Lage versetzen, Informationen zu erstellen, zu manipulieren und zu erfassen, unabhängig davon, mit welcher Software die Geometrie erstellt wurde, ergänzt er.

Damit dies gelingt, ist ein BIM-fähiges Common Data Environment (CDE) notwendig. Diese Systeme integrieren alle im Projekt erzeugten Daten, verteilen diese über definierte Prozesse und koordinieren den Informationsfluss. Erst die Verbindung von BIM mit einem CDE und einer konsistenten Datenhaltung über den Planungs- und Errichtungszeitraum hinaus, eröffnet neue Ansätze einer Optimierung.

Der Erfolg von BIM als interner Optimierer bedingt auch seine Integration und Interoperabilität mit anderen Tools, um den Lebenszyklus eines Gebäudes zu automatisieren. Dabei kann es sich bei den in BIM integrierbaren Technologien um KI, IoT, AR/VR, 3D-Druck, Robotik und vieles andere mehr handeln. Dank reibungsloser Interoperabilität mit KI-Tools kann BIM zum Beispiel mit einer Reihe von Aufgaben, Regeln und Prozessen „gefüttert werden“. In der Folge können diese Aufgaben und Prozesse vom Computer – ebenso wie von Robotern, Kränen oder Drohnen – selbstständig und effizienter als vom Menschen ausgeführt werden.

Von intelligenten Fertigungswerkzeugen bis hin zu effizienzsteigernden AR-Headsets – die Verbreitung von ConTech wird wahrscheinlich mit der zunehmenden Interoperabilität von BIM Hand-in-Hand gehen.

Die Zukunft von BIM ist bereits hier – bloß nicht gleich verteilt

William Gibson, ein US-amerikanisch-kanadischer Science-Fiction-Autor, sagte einmal: “ Die Zukunft ist bereits hier – sie ist bloß nicht gleich verteilt.“

Eine Aussage, die für die Zukunft von BIM nicht zutreffender sein könnte. Wie Statistiken zeigen, sind viele leistungsstarke Funktionen von BIM bereits vorhanden, werden aber nicht ausreichend genutzt und sind nicht allgemein bekannt. Fachleute, die nicht im Bereich Planung und Konstruktion tätig sind, haben meist nur ein begrenztes Wissen über die Vorteile, die BIM bietet und sind mit der Software nicht oder nicht ausreichend vertraut. Das wird aber in zehn Jahren voraussichtlich nicht mehr so sein.

Obwohl es unmöglich ist, vorherzusagen, wie genau sich die Technologie entwickeln wird und wer sie nutzen wird, gibt es einen starken Trend, BIM durch Interoperabilität als ganzheitliches Werkzeug zur Optimierung des Lebenszyklus eines Gebäudes zu nutzen. Die zukünftige Entwicklung von BIM wird seine größte Stärke hervorheben: sprich die Möglichkeit der nahtlosen Zusammenarbeit nicht nur zwischen Teams, sondern auch zwischen Systemen, Prozessen und anderen Technologien.

In der Erwartung, dass BIM eine neue goldene Ära im Bauwesen einläutet, ist eines sicher: Dank der überragenden Leistungsfähigkeit von BIM im Bauwesen werden wir – dank ihrer Unterstützung – wohl keine 500 Jahre warten müssen, um die kultigsten Gebäude unserer Zeit sehen zu können.

Dr. Kai Oberste-Ufer

Dr. Kai Oberste-Ufer

Kai ist Bauingenieur mit Schwerpunkt IT und Senior Manager für digitale Planung bei dormakaba digital. Mit seiner Arbeit will er die Frage beantworten: "Wie planen, bauen und betreiben wir in Zukunft Gebäude und wie können wir diesen Prozess digital besser unterstützen?