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Viel mehr als nur Händedesinfektion: Wie COVID-19 die Zukunft der Arbeit verändert

Chair, Furniture, Indoors

Die weltweite Verbreitung von COVID-19 verlief unterschiedlich: Einige Länder wie Neuseeland oder Hongkong konnten die Fälle bis Mitte 2020 deutlich reduzieren, andere erlebten bereits die sogenannte zweite Welle. In der Zwischenzeit haben sich in grossen und dezentral organisierten Ländern wie den Vereinigten Staaten virale Epizentren von den dichtbesiedelten Städten in die Provinzen verlagert.

“Einerseits mögen wir Menschen keine Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit, andererseits sind wir jedoch ausgesprochen anpassungsfähig.”

Zwar ist die weitere Entwicklung des Virus ungewiss, dennoch wird es eines Tages abklingen. Ist es irgendwann ausgemerzt, wird das Leben jedoch nicht mehr so sein, wie vor der Pandemie. Denn auch wenn alle COVID-19-Infektionen auf der ganzen Welt verschwinden, wird es keinen einzigen Industriezweig mehr geben, der durch die Pandemie unbeeinflusst blieb. Dennoch sind nur wenige Lebensbereiche von COVID-19 so betroffen wie die Arbeit selbst.

Millionen von Beschäftigten verbringen etwa ein Drittel ihres Tages im Büro. Einerseits war das Arbeiten aus dem Homeoffice bereits vorher auf dem Vormarsch, jedoch zwang COVID-19 viele Unternehmen dazu, sich noch ernsthafter mit den Thema der sogenannten Remote Work zu beschäftigen. Andererseits ist das Bewusstsein für Themen wie Händehygiene ebenso gestiegen wie das Wissen um Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die von engen Räumen ausgehen.

Infolgedessen wurde für viele Arbeitsplätze auf kurzfristige Lösungen zurückgegriffen wie zum Beispiel auf die Einrichtung von Händehygienestationen, Belüftungskonzepte oder die Einführung neuer Verhaltensregeln am Arbeitsplatz. Doch welche längerfristigen Veränderungen im Büroalltag und in der Arbeitskultur können Mitarbeiter erwarten, wenn die unmittelbare Krise vorüber ist?

Zukunft der Arbeit: mehrere Millionen von Menschen, die ortsunabhängig arbeiten

Trotz des wachsenden Homeoffice Hypes erlaubten Anfang 2020 etwa 44 Prozent der Unternehmen weltweit keinerlei Remote Work. COVID-19 zwang jedoch viele Unternehmen, ihre Haltung zu dieser Arbeitsform zu überdenken. Infolgedessen prognostizieren viele Arbeitsmarktexperten, dass sich nach COVID-19 die Bürogestaltung und -infrastruktur derart ändern wird, dass sie der steigenden Zahl von ortsunabhängig arbeitenden Personen Rechnung tragen wird. Dieser Wandel könnte mehr Phone Booths – das sind abgeschlossene Kabinen zum Telefonieren -, flexible Arbeitsplätze, und was noch wichtiger ist, weniger überfüllte Büros bedeuten.

Susan Hayter, Senior Technical Advisor on the Future of Work bei der International Labour Organization (ILO) sagt, dass dieser Zustand des „Business as unusual“ die Zukunft der Arbeit sein kann. „Schon vor der Pandemie gab es eine rege Diskussion über die Auswirkungen der Technologie auf die Zukunft der Arbeit“, sagt sie.

„Diese Zukunft ist jedoch früher als erwartet eingetroffen, da viele Länder, Unternehmen und Arbeitnehmer auf Remote Work umgestiegen sind, um die Übertragung von COVID-19 einzudämmen, was unsere Arbeitsweise dramatisch verändert hat. Virtuelle Veranstaltungen sind heute an der Tagesordnung, und auf einer ganzen Reihe von digitalen Plattformen hat die Geschäftstätigkeit zugenommen.“

Büros werden nicht überflüssig, aber sie müssen sich weiterentwickeln

Zweifelsfrei werden weitere Millionen von Menschen – insbesondere in den Industrieländern – in der Lage sein, ortsunabhängig zu arbeiten. Die weltweiten Beschäftigungszahlen zeigen jedoch, dass dies nicht jeder tun kann. Die IAO schätzt, dass in Ländern mit hohen Einkommen nur 27 Prozent der Arbeitnehmer von zu Hause aus arbeiten könnten. Allerdings heisst das nicht zwangsläufig, dass sie das auch nach der Pandemie weiterhin ausschließlich tun werden. Ebenso arbeiten weltweit ca. zwei Milliarden Menschen im informellen Sektor, von der Lebensmittelversorgung bis zur Landwirtschaft.

Susan Hayter von der ILO betont den sozialen und wirtschaftlichen Wert des Arbeitsplatzes, der für viele Arbeitnehmer ein Gefühl von Sinn, Identität und Gemeinschaft vermittelt.

„Wir müssen uns die schöne neue Welt erschließen, um sicherzustellen, dass man in ihr unter sicheren Bedingungen arbeiten kann“, sagt Susan Hayter.

In Anlehnung daran klassifiziert McKinsey die Arbeitsbereiche nach dem Wert, den Remote Work bringen könnte. Nach diesen Angaben gibt es verschiedene Kategorien: von ausschließlicher Remote Arbeit über unterschiedliche hybride Modelle, in denen Remote Arbeit mit vor-Ort Arbeit kombiniert wird, bis hin zu reinem Arbeiten vor-Ort.

Auch wenn ortsunabhängiges Arbeitens weiterhin einen unaufhaltsamen Anstieg verzeichnen wird, werden die Arbeitsplätze selbst in absehbarer Zeit nicht verschwinden. Sie werden sich jedoch entsprechend der sich ändernden Befindlichkeiten in Bezug auf Sicherheit und öffentliche Gesundheit weiterentwickeln müssen.

Neue Infrastrukturen an Arbeitsplätzen zur Optimierung von Sicherheit und Gesundheit

Langfristig wird COVID-19 uns dazu zwingen, bei der Bürogestaltung Hygiene, Privatsphäre und Sicherheit in den Mittelpunkt zu stellen. So verfolgte man beispielsweise mit Großraumbüros, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden, das Ziel, Arbeitsplätze dynamischer und kooperativer zu gestalten. Da sich dabei jedoch eine große Anzahl von Mitarbeitern im selben Raum aufhalten könnte, macht dieses Konzept die Mitarbeiter möglichenfalls anfällig für die Verbreitung eines Virus. Daher wird man sich bei den Büros der Zukunft statt für eine offene Bauweise für mehr persönlichen Raum für jeden Mitarbeiter entscheiden und für intelligente Lösungen im Hinblick auf größere Sitzabstände.

Wenn COVID-19 besiegt ist, werden Bürokonzepte wahrscheinlich über neue Technologien verfügen, die der Hygiene und dem Wohlbefinden der Mitarbeiter förderlich sind. Von intelligenten Aufzügen bis hin zu berührungslos funktionierenden Eingangssystemen oder selbstreinigenden Oberflächen – die Infrastruktur zukünftiger Büros wird immer stärker aufgewertet.

Oliver Wainwright, Architektur- und Design-Kritiker von The Guardian, sagt, dass Krankheiten schon immer das Design von Städten und Büros geprägt haben. Dabei führt er das Beispiel eines futuristischen Büros eines Abfallentsorgungsunternehmens an, das von Zaha Hadid Architects in den Vereinigten Arabischen Emiraten entworfen wurde, um einen Vorgeschmack auf das Bürodesign nach COVID-19 zu geben.

Aufzüge können von einem Smartphone aus gerufen werden, so dass es nicht mehr notwendig ist, außen und innen einen Knopf zu drücken. Derweil öffnen sich Bürotüren automatisch mit Hilfe von Bewegungssensoren und Gesichtserkennung.

Oliver Wainwright, Architektur- und Design-Kritiker von The Guardian

Ein Wendepunkt für Städte und für die Bürogestaltung

Im Laufe der Geschichte hatten wirtschaftliche Möglichkeiten und Chancen auf dem Arbeitsmarkt großen Einfluss darauf, wie sich Städte organisiert und entwickelt haben. Besonders seit der industriellen Revolution, als Milliarden von Menschen in die städtischen Zentren zogen, begannen die Städte zu boomen, da sie bessere Chancen bei der Arbeitssuche und im Hinblick auf Bildungschancen versprachen. Nach COVID-19 wird die Pandemie langfristig Stadtlandschaften verändern – auch wenn nicht jeder die Möglichkeit haben wird, ortsunabhängig zu arbeiten. Viele Ökonomen und Soziologen in den Industriegesellschaften glauben, dass die Zunahme der Remote Work die Städte aushöhlen und dezentralisieren wird. „Ich denke, wir werden wieder in die Büros zurückkehren werden, jedoch nicht auf die gleiche Weise wie bisher“, sagte Paul Cheshire, Professor für Wirtschaftsgeographie an der London School of Economics.

Und er führt weiter aus, dass das Arbeiten von zu Hause eine Nachfrage nach größeren Häusern schaffen werde, so dass viele Menschen aus den Städten in die Vororte oder ins Hinterland drängen werden, wo Grund und Boden günstiger ist. Dies könnte die Großstädte entlasten, die ländlichen Regionen verjüngen und für viele die Lebensqualität verbessern. Prof. Cheshire fügt hinzu, dass man wahrscheinlich auch lokales Desk-Sharing nutzen wird. Das sind spezielle Büroarbeitsplätze, die Mitarbeiter nutzen können, die normalerweise aus dem Homeoffice arbeiten – zum Beispiel, wenn Sie zeitweise eine bessere IT-Infrastruktur oder besseres Büroequipment benötigen oder Ruhe vor den Kindern suchen. In kleineren Städten werden voraussichtlich sogenannte Hot Desking Bereiche entstehen“.

Auf dem Weg zu einer neuen Arbeitskultur

Die Reduzierung von Büroflächen wird sich auf kleine, mittlere oder große Unternehmen sowie auf Industriestaaten und Schwellenländer unterschiedlich auswirken. Ähnlich wie schon die Verbreitung wird wohl auch die Ausrottung von COVD-19 mit zeitlichem Versatz erfolgen. Welche langfristigen Veränderungen am Arbeitsplatz durch die Pandemie verursacht werden – und wie genau sie sich unter verschiedenen Rahmenbedingungen darstellen werden – weiß jedoch niemand so genau.

„Es gibt eine ganze Gruppe von Organisationspsychologen sowie Soziologen und Managementprofessoren, die die nächsten fünf oder zehn Jahre damit verbringen werden, die Auswirkungen dieser Pandemie an verschiedenen Orten zu untersuchen“, sagt Adam Grant, Professor an der Wharton Business School.

Er glaubt jedoch, dass die Pandemie auch eine enorme Chance für Führungskräfte ist, zu lernen und zu wachsen und weltweit eine Arbeitskultur mit Einfühlungsvermögen zu schaffen. Prof. Grant fügt hinzu: „Einerseits mögen wir Menschen keine Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit, andererseits sind wir jedoch ausgesprochen anpassungsfähig“.

dormakaba Redaktionsteam

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