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Mikro-Wohnen: 5 Gründe, warum größer nicht besser ist

Furniture, Chair, Table

Seit den 1950er Jahren ist das eigene Haus am Stadtrand mit grünem Garten und weißem Lattenzaun der Inbegriff von sozialer Mobilität, Wohlstand und hoher Lebensqualität. Diese Vorstellung ist zwar vor allem als „amerikanischer Traum“ bekannt, fand aber lange Zeit auch weltweit großen Zuspruch.

Sieben Jahrzehnte später haben Millionen von Menschen aufgrund der anhaltenden ökologischen Herausforderungen, verschiedener Wirtschaftskrisen und erheblicher demografischer Veränderungen ihr Interesse an großen Häusern verloren. Tatsächlich erwägen immer mehr Hausbesitzer den Hausverkauf, um sich zu verkleinern.

Was ist Mikro-Wohnen?

Einen ernstzunehmenden, strukturierten Ansatz für die Verkleinerung von Wohnungen verfolgt das „Mikro-Wohnen“, das inzwischen zu einem vorherrschenden Design- und Immobilientrend geworden ist. Offiziell wird dieser Begriff für Wohnungen mit einer Größe von bis zu 35 Quadratmetern verwendet. Doch es geht nicht nur um die Größe: Ein Mikro-Zuhause verfügt in der Regel über eine Reihe intelligenter Funktionen und Einrichtungsgegenstände und befindet sich in einem städtischen Zentrum.

Nach Angaben der British Property Federation gibt es drei Arten des Mikro-Wohnens: kompaktes Wohnen in kleineren Häusern, die in sich geschlossen sind, gemeinsames Wohnen in eigens dafür gebauten und verwalteten Siedlungen und gemeinsames Wohnen in umgebauten oder unterteilten Häusern.

Welche Vorteile bietet Mikro-Wohnen?

Dank der Innovationen in Architektur und Design muss das Leben auf kleinem Raum nicht mehr zwangsläufig beengt und überladen sein. Mikro-Wohnen kann unsere Städte und unser Leben auf folgende Weise bereichern.

1. Erschwingliches Wohnen

Unsere Welt befindet sich derzeit im Hinblick auf bezahlbares Wohnen in einer Krise. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) sind die Wohnkosten in den meisten Ländern schneller gestiegen als die Einkommen der Menschen. Bis 2025 könnte die Zahl der Menschen, die von diesem Problem betroffen sind, auf alarmierende 1,6 Milliarden ansteigen.

Mikro-Wohnungen erfordern weniger Ressourcen für Bau, Betrieb, Einrichtung und Instandhaltung. Weniger Platz bedeutet weniger Hab und Gut, weniger Instandhaltungsaufwand und erheblich geringere Ausgaben. Daher könnten Mikro-Wohnungen einen entscheidenden Teil zur Lösung der weltweiten Wohnungsnot beitragen und Millionen von Menschen den Zugang zu funktionalen und komfortablen Wohnungen ermöglichen.

2. Mikro-Wohnen ist besser für die Umwelt

Gebäude sind für fast 40 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Nach Untersuchungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) könnten durch eine Verringerung der Pro-Kopf-Wohnfläche um nur 20 Prozent die mit dem Bau eines Hauses verbundenen Emissionen um bis zu 60 Prozent reduziert werden.

Darüber hinaus führt das Leben in den Vorstädten zu einer starken Abhängigkeit vom Auto, zur Abholzung der Wälder und zur Zerstörung natürlicher Lebensräume.

Das Wohnen auf kleinstem Raum hat also das Potenzial, nicht nur die Umweltbelastung drastisch zu reduzieren, sondern auch Wälder und Wildtiere vor den Folgen der Zersiedelung zu bewahren.

3. Neubelebung der lokalen Wirtschaft

Ein besserer Zugang zu erschwinglichem Wohnraum belebt die Konjunktur und fördert wirtschaftliches Wachstum.

Wohnen auf kleinstem Raum ist keineswegs gleichbedeutend mit Verzicht auf Lebensfreude und soziale Kontakte. Die Bewohner von Mikro-Wohnungen in städtischen Ballungszentren können alle beruflichen, kommerziellen, bildungsbezogenen und kulturellen Möglichkeiten nutzen, die eine Stadt bietet.

Wer nicht den größten Teil seines Einkommens für Miete oder Hypotheken aufwenden muss, verfügt über mehr finanzielle Ressourcen. Dies ermöglicht höhere Ausgaben vor Ort, stärkt die lokale Wirtschaft und fördert weitere unternehmerische Aktivitäten.

4. Anpassung an den kulturellen Wandel

Es gibt zwar immer noch ein großes Angebot an Häusern und Luxuswohnungen für große Familien, doch unsere Gesellschaft befindet sich in einem tiefgreifenden demografischen Übergang. Die Familien werden kleiner und die Zahl der Einpersonenhaushalte nimmt zu. In Deutschland wird beispielsweise bis 2040 jeder Vierte allein leben. Viele andere Industrienationen folgen einem ähnlichen Muster. Daher kann Mikro-Wohnen die durch den aktuellen demografischen Wandel bedingten Anforderungen viel effizienter erfüllen.

Hand in Hand mit dem demographischen Wandel geht ein kultureller Wandel: Immer mehr Menschen sind in der Lage, ortsunabhängig zu arbeiten, ohne an einen bestimmten Wohn- oder Arbeitsplatz gebunden zu sein. Diese so genannten digitalen Nomaden haben andere Bedürfnisse als Touristen oder Geschäftsreisende und sehen in den Mikro-Wohneinheiten eine ideale mittelfristige Wohnmöglichkeit.

5. Lösungen bei Obdachlosigkeit

Wohnen ist ein grundlegendes Menschenrecht. Parallel zum Mangel an erschwinglichem Wohnraum hat jedoch die Zahl der Obdachlosen weltweit in alarmierendem Maße zugenommen. Ausgehend von den Berichten verschiedener Länder schätzt man, dass etwa zwei Prozent der Weltbevölkerung obdachlos sind. Dank fortschrittlicher Konstruktions- und Bautechnologien haben Kleinstwohnungen jedoch das Potenzial, das weltweite Problem der Obdachlosigkeit zu lindern.

In einigen Städten, in denen Obdachlosigkeit ein spürbares Problem ist, wie z. B. in San Francisco oder London, haben Kommunalverwaltungen und Wohlfahrtsverbände bereits mit Mikro-Wohnlösungen experimentiert und dabei gute Ergebnisse erzielt.

Patrick Lehn

Patrick Lehn

Patrick ist Senior Manager für externe Kommunikation und Pressesprecher der dormakaba Gruppe. Er leitet alle Thought-Leadership-Aktivitäten auf globaler Ebene.