Neue Gebäude zu entwerfen und zu errichten, ist für viele erstrebenswertes Berufsziel oder bereits einträglicher Erwerbszweig. Die Arbeit auf dem Bau birgt jedoch viele Stressfaktoren und ist mit mannigfachen Risiken verbunden, sei es der Kontakt mit gesundheitsschädlichen Chemikalien, ständiger lauter Lärm, das Hantieren mit schweren Lasten oder die Gefahr von Abstürzen und Stromschlägen. Für Millionen von Menschen, die weltweit auf Baustellen arbeiten, bedeutet „Förderung der Gesundheit am Arbeitsplatz“ mehr Schutz und Sicherheit und nimmt somit einen sehr hohen Stellenwert ein.
Das Baugewerbe ist laut einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) diejenige Branche mit den meisten tödlichen Arbeitsunfällen. Die Organisation schätzt, dass jedes Jahr weltweit 2,3 Millionen Mitarbeiter durch arbeitsbedingte Unfälle und Krankheiten ihr Leben verlieren.
Zwar haben sich diese Zahlen in einigen Teilen der Welt durch strengere Vorschriften verbessert, alles in allem müssen insbesondere die Unternehmen der Baubranche ihr Engagement jedoch erhöhen, um Arbeitsunfälle und deren verhängnisvolle Folgen zu reduzieren oder – im besten Fall – zu verhindern.
Anlässlich des Weltgesundheitstages, der auf der ganzen Welt jährlich am 7. April begangen wird, haben wir eine Liste mit Vorschlägen erstellt, die helfen können, die Gesundheit am Arbeitsplatz im Baugewerbe zu fördern.
Kontinuierliche Risikobewertung und Kontrolle
Laut US-amerikanischer Arbeitsschutzbehörde (Occupational Safety and Health Administration) sind im Baugewerbe die „fatal four“ (übersetzt die „verhängnisvollen vier“) häufigste Ursache für Verletzungen und Unfälle. Dazu gehören Stürze, Getroffen werden von Gegenständen, Stromschläge und das Einklemmen zwischen Geräten oder Gegenständen.
Unfallursachen resultieren meist nicht aus geringfügigen Fehleinschätzungen oder Nachlässigkeiten, sondern aus erheblichen Versäumnissen, die oft mittels kontinuierlicher Risikobewertung und Kontrolle der Baustellen hätten verhindert werden können. Verantwortliche auf dem Bau sollten daher einen proaktiven Ansatz verfolgen. Sie sollten vorbeugend die Gefahren identifizieren und analysieren, die für die Mitarbeiter das höchste Risikopotential bergen, und Maßnahmen zu deren Kontrolle festlegen.
Verwendung von Schutzausrüstung
Die minimale Schutzausrüstung für jeden, der eine Baustelle betritt oder dort arbeitet, sind Schutzhelm und Schutzbrille. Die darüber hinausgehende Schutzausrüstung sollte entsprechend der individuellen Situation angepasst sein, da die Risiken der einzelnen Beschäftigten je nach Arbeitsgebiet durchaus unterschiedlich sein können.
Sobald die Verantwortlichen auf dem Bau alle potenziellen Gefahren und Risiken identifiziert haben, müssen sie jedem Mitarbeiter eine der Tätigkeit angemessene Schutzausrüstung zuweisen. Persönliche Schutzausrüstung (PSA) im Bauwesen schützt im Allgemeinen fünf Körperzonen: für Augen und Gesicht, Füße, Hände, Kopf und Gehör gibt es daher eine Vielzahl an Produkten.
Ebenfalss wichtig ist gut sichtbare Kleidung. Sie stellt eine weitere wesentliche Maßnahme zur Verringerung von Unfallrisiken wie Anfahren, Überfahren und – bei Baggern – das Anschwenken von Personen im Maschinenumfeld dar.
Gründliche Unterweisung, intensive Schulung
Bevor eine Baustelle betreten werden darf, ist eine gründliche Sicherheitsunterweisung unerlässlich, um Mitarbeitern die möglichen Risiken zu vermitteln. Mit diesem Wissen und Bewußtsein ist es ihnen anschließend möglich, sowohl sich selbst als auch Kollegen zu schützen. Je nach Aufgabengebiet und Verantwortlichkeiten auf der Baustelle können die Mitarbeiter darüber hinaus von Zusatzschulungen und Spezialkursen zu Themen wie Kräne und Takelage, Brandschutz, Absturzsicherung oder Arbeitshygiene profitieren.
Standortverantwortliche können sich zudem Technologien wie Augmented Reality und künstliche Intelligenz (KI) zunutze machen, um schnellere und effizientere Schulungsprozesse zu ermöglichen.
Regelmäßige Pausen fördern
In einem lärmintensiven und stark stressbelasteten Arbeitsumfeld, wie dies auf einer Baustelle der Fall sein kann, können sich selbst bei erfahrenen Fachkräften Ermüdungserscheinungen einstellen. Gegen Ende eines langen Arbeitstages steigt die Gefahr, dass sich beispielsweise Reflexe verlangsamen. Aus diesem Grund müssen Bauleiter dafür sorgen, dass alle auf dem Bau Beschäftigten regelmäßig Pausen einlegen, um sich erholen und ausruhen zu können.
Für Vor-Ort- und Bereitschaftszeiten empfiehlt die Internationale Arbeitsorganisation eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 90 Stunden, davon eine ununterbrochene 24-Stunden-Auszeit. Zudem haben Beschäftigte auf dem Bau unter bestimmten Bedingungen, wie z. B. in Schichten mit besonders hoher Arbeitsbelastung, bei sicherheitsrelevanten Aufgaben oder bei Auswärtstätigkeiten, ein Anrecht auf eine Ausgleichsruhezeit.
Stressbewältigung im Arbeitsalltag
Untersuchungen zeigen, dass das Baugewerbe zu den stressigsten Branchen gehört. 82 % der Arbeitnehmer fühlen sich zumindest während eines Teils ihrer Arbeitswoche gestresst. Stress kann eine Vielzahl physischer und psychischer Gesundheitsprobleme verursachen und gleichzeitig die Fehleranfälligkeit erhöhen.
Mittlerweile bestätigen einige Studien, dass allein das Sprechen über Stress und das Mitteilen der damit verbundenen Gefühle Stress abbauen kann. Um eine sicherere Arbeitsumgebung zu schaffen und das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu steigern, müssen Bauleiter daher einen gesunden Dialog auf ihren Baustellen fördern.
Mitarbeiter über Stressbewältigung aufzuklären und Erste-Hilfe-Schulungen zum Erhalt der psychischen Gesundheit anzubieten, sind weitere sinnvolle Maßnahmen, um die Gesundheit am Arbeitsplatz zu verbessern.
BIM zur Optimierung der Gesundheit am Arbeitsplatz
Vielen Fachleuten der Baubranche sind die Möglichkeiten von BIM (Building Information Modeling) bekannt: Die Nutzung von BIM spart Zeit und Kosten, reduziert Verschwendung und hilft Teams, gestalterische Barrieren zu beseitigen.
Zudem erhöht BIM jedoch auch die Sicherheit, da dieses Planungswerkzeug die ganzheitliche Betrachtung von Bauprojekten ermöglicht. Die Planungsteams können zu erwartende Probleme somit bereits im Modell erkennen und notwendige Maßnahmen zu ihrer Lösung und Beseitigung ergreifen, bevor sie in der Realität passieren. Dies betrifft auch mögliche Unfälle beziehungsweise deren Prävention
Gerade in der Baubranche ist es nicht ungewöhnlich, dass die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsangestellten und den Mitarbeitern auf der Baustelle vor Ort eingeschränkt ist. Dies kann durchaus zu einer Art Entfremdung der Mitarbeiter untereinander führen und das Gemeinschaftsgefühl der Beschäftigten negativ beeinflussen.
Durch den Einsatz von Technologien wie Building Information Modeling (BIM) rücken alle am Bauprojekt Beteiligten quasi wieder näher zusammen. Die integrative und effiziente Planung mittels BIM leistet somit auch ihren Beitrag, um im Bauwesen die Gesundheit am Arbeitsplatz zu fördern.