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„Zurück zur Natur“: der Boom nachhaltiger Architektur seit den 1970er Jahren

Vegetation, Plant, Rainforest

Moderne Historiker führen den Beginn der Umweltschutzbewegung oft auf das Jahr 1970 zurück, als Gaylord Nelson, ehemaliger Gouverneur (1958-1962) und Senator (1963-1981) von Wisconsin, den Dialog und die Gespräche über Umweltfragen fördern wollte. Aus Nelsons Lehrveranstaltungen entstand der Earth Day („Tag der Erde“), ein Schlüsselereignis, dass das Thema „Umwelt“ politisch und kulturell in den Fokus rückte und einen neuen Zeitgeist hervorbrachte, der die Wahrnehmung durch die breite Öffentlichkeit für immer veränderte.

Im Jahr 2021, fünf Jahrzehnte nach dem ersten Earth Day, ist Umweltschutz weit davon entfernt, Thema einer politischen Randgruppe oder einer Subkultur zu sein. Im jährlichen Global Risks Report des Weltwirtschaftsforums rangieren Umweltbelange noch vor wirtschaftlichen oder geopolitischen Belangen auf den vordersten Plätzen.

Bereits seit den 1970er Jahren beschäftigt sich auch die Welt des Designs und der Architektur mit dieser Thematik. „Zurück zur Natur“ oder „Jute statt Plastik“ waren die Aufrufe dieser Bewegung. Mit dem heutigen dringenden Bedürfnis, die globalen CO₂-Emissionen zu reduzieren, ist Nachhaltigkeit zum treibenden Faktor geworden.

Hier ist ein kurzer Blick darauf, wie die Umweltschutzbewegung architektonische Entscheidungen in den letzten Jahrzehnten beeinflusst hat.

1970er Jahre bis zur Gegenwart: Bedeutung der Architektur für die Nachhaltigkeit

Die Begeisterung für nachhaltige Architektur hat ihren Ursprung in der Energiekrise der 1970er Jahre, als viele Architekten dem Bau von geschlossenen Glas- und Stahlkästen, die massive Heiz- und Kühlsysteme benötigten, ablehnend gegenüberstanden.

Es dauerte jedoch bis in die 1990er Jahre, bis sich „grüne Architektur“ als grundlegende architektonische Überlegung zu manifestieren begann. 1994 entstanden die LEED-Standards (Leadership in Energy and Environmental Design), die bis heute die maßgeblichen Kriterien für grünes Bauen sind.

Die weltweite Bauproduktion wird bis 2030 um voraussichtlich 85 Prozent wachsen. Die Bauindustrie wird dann den erstaunlichen Gesamtumsatz von 15,5 Billionen US-Dollar erwirtschaften. Die architektonische Designgemeinschaft ist sich zunehmend der Verantwortung und der Chancen bewusst, die sich aus diesem Wachstum ergeben.

Inzwischen ist klar, dass sich die ständig weiterentwickelnde Nachhaltigkeits- und „Zurück-zur-Natur“-Bewegung von Greenwashing- und Alibifunktionen lösen und einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen muss, der alle Phasen der Architektur umfasst.

Die 2020er Jahre und die Zeit danach: nachhaltige Ästhetik für die Zukunft

Die Umweltschutzbewegung gibt es schon seit den 1970er Jahren, doch erst in jüngster Zeit ist sie – dank der Gesetzgebung und internationaler Verträge wie dem Pariser Klimaabkommen – zu einem bedeutenden Teil des Zeitgeistes geworden. In den meisten Industrienationen ist die Nachhaltigkeit neuer Gebäude mittlerweile gesetzlich geregelt und nicht mehr optional.

Da der Umweltverträglichkeit von Gebäuden und Städten eine stetig wachsende Bedeutung zukommt, wird eine nachhaltige Herangehensweise in der Architektur vor, während und nach dem Bau immer wichtiger. Dies betrifft auch die verwendeten Materialien, die Formen und Farben, die in den Gebäuden eingesetzten Technologien sowie die Interaktionen zwischen den Menschen und der bebauten Umwelt.

Insbesondere für die Zeit nach der Pandemie wird Nachhaltigkeit von einigen Kennern der Architekturszene als neuer, post-internationalistischer Stil gesehen. Spricht man von Schönheit, wird es nicht mehr nur um die Form gehen, sondern auch um den Nutzen und die Auswirkungen eines Produkts auf die Umwelt.

In diesem Kontext wirft beispielsweise der kanadische Architekt Michael Green die folgende Frage auf: „In British Columbia wachsen Bäume, die 35 Stockwerke hoch sind. Warum also beschränken unsere Bauvorschriften Holzbauten auf nur fünf Stockwerke?“

Während die Verwendung von Holz im Bauwesen nichts Neues ist, haben Holzkonstruktionen in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt – egal ob Wolkenkratzer oder kleinere Wohnung. Dank der Entwicklungen in Materialwissenschaft und Werkstoffkunde ist Holz heutzutage nachhaltiger, effizienter und sicherer als früher – dabei jedoch genauso schön.

Architekten und Designer werden sich – ebenso wie viele andere Berufsgruppen – noch viele Jahrzehnte mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Doch letztlich wird das Gebäudedesign der Zukunft und dessen Ästhetik durch Nachhaltigkeit bestimmt werden – und diese Nachhaltigkeit wird durch Technologie ermöglicht.

Bernhard Heitz

Bernhard Heitz

Bernhard Heitz ist Leiter Produktdesign bei dormakaba. Er hat Industriedesign an der Hochschule Darmstadt studiert und sein Lebenslauf weist eine beeindruckende Liste internationaler Projekte und Auftraggeber auf. Zu seinen wichtigsten Errungenschaften bei dormakaba zählt die Entwicklung der neuen globalen XEA Produktdesign-Sprache. Seine Zuständigkeit umfasst alle Produktbereiche und produktbezogenen digitalen Interfaces.