„Studiere die Natur, liebe die Natur, bleib nah an der Natur. Sie wird dich nie enttäuschen“, sagte Frank Lloyd Wright, der berühmte amerikanische Architekt, der in seiner 70-jährigen Karriere mehr als 1.000 Gebäude entwarf. In der Tat haben sich Künstler und Architekten seit Anbeginn der Geschichte von der Natur inspirieren lassen. In der Architektur gibt es jedoch auch immer häufiger Bestrebungen, sich nicht nur von der Natur inspirieren zu lassen, sondern sie auch zu imitieren. Bio-Architektur, auch bekannt als biomimetische oder bioinspirierte Architektur, ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, das in der Regel mit den Naturwissenschaften kooperiert, um neue Anregungen zu finden, die in die Architektur einfließen können.
Das Design von Bio-Architektur basiert auf Erkenntnissen von Biologen, Physikern, Chemikern und Materialwissenschaftlern über die biologischen Funktionen, Strukturen und Prinzipien verschiedener in der Natur vorkommender Objekte – mit architektonischen Merkmalen, die in der Regel auf ein lokales Naturelement abgestimmt sind.
Obgleich es sich um eine junge Disziplin handelt, ersetzen biomimetische Projekte mehr und mehr die traditionellen Ansätze aus „Mauerwerk und Mörtel“ und bieten der Gesellschaft damit neue Lösungsansätze mit einem natürlicheren Verständnis von Ästhetik. Nachfolgend haben wir fünf exemplarische Gebäude der Bio-Architektur ausgewählt.
1. Eden Project, Großbritannien
Das Eden Project, ein botanischer Garten in Cornwall im Südwesten Großbritanniens, ist das größte Gewächshaus der Welt mit tropischen Biomen, die in eine ehemalige Kaolingrube eingebettet sind und die Größe von 30 Fußballfeldern haben.
Seifenblasen inspirierten zum leichten, transparenten Design der geodätischen Kuppeln der Eden Project Biome. Unter den blasenförmigen Überdachungen kann man eine Vielzahl unterschiedlicher Biotope erkunden, von tropischen Regenwäldern bis hin zu mediterranen Olivenhainen.
2. Aborigine-Galerie in Taitung, Taiwan
Zwar ist Bio-Architektur Im Bereich des modernen Designs eine relativ neue Herangehensweise, doch in indigenen Gesellschaften werden schon seit Jahrtausenden die Strukturen und Muster der Natur in Baukonstruktionen aufgegriffen.
Die Taitung Aboriginal Gallery in Taitung City, Taiwan, ist eine Hommage an die Kunst, das Erbe und die Kultur der austronesischen Völker. Ihr wellenförmiges Dach mit blauen Farbtönen erinnert an ein wogendes Meer und sammelt das Regenwasser in fünf kleinen Teichen. Das biologisch inspirierte Design sorgt für natürliche Belüftung in der gesamten Struktur und Sonnenlicht scheint zwischen den Bäumen, Farnen, Muschelblumen und verschiedenen anderen austronesischen Pflanzenarten hindurch und vermittelt das Gefühl, sich in einem Regenwald zu befinden.
3. Nationalstadion Peking, China
Das Pekinger Nationalstadion wurde für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2008 entworfen und kam auch bei den Olympischen und Paralympischen Winterspielen 2022 wieder zum Einsatz. Das von den beiden Schweizer Architekten Herzog & de Meuron in Zusammenarbeit mit dem Künstler Ai Weiwei entworfene Stadion hat eine sattelförmige Struktur mit ineinander greifenden Stahlteilen, die einem Nest aus Zweigen ähneln – ganz so, wie sich Vögel aus verschiedenen kleinen Zweigen ein Nest bauen. Dies brachte dem Stadion den Spiitznamen „Vogelnest“ ein.
Das „Vogelnest“ ist die größte Stahlkonstruktion der Welt und bietet mit seinem von chinesischer Keramik inspirierten Design eine optimale Sicht für die 80 000 Zuschauer, die darin Platz finden.
4. Das Nest, Namibia
Ein weiteres „Nest“ mit einem von der Natur inspirierten Design ist in Namibia zu finden, aber sein Design und seine Dimensionen könnten sich kaum deutlicher vom Nationalstadion in Peking unterscheiden.
The Nest, eine netzunabhängige Safari-Lodge, die ausschließlich mit lokalen Ressourcen (Materialien und Arbeitskräften) gebaut wurde, liegt inmitten der namibischen Wüste. Es ist dem Nest eines südafrikanischen Webervogels nachempfunden und fügt sich perfekt in die rot leuchtenden Dünen der Wüste ein.
5. Bahnhof Iidabashi, Japan
Die Tokioter U-Bahn ist eines der komplexesten, der am meisten genutzten und gleichzeitig der am besten ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetze der Welt. Doch selbst im futuristischen Japan, das für seine Spitzentechnologie bekannt ist, bieten Lösungen und Inspirationen aus der Natur einen Mehrwert für Pendler.
Der Bahnhof Lidabashi, ein wichtiger Umsteigebahnhof, der in seiner Gestaltung einem lebenden Organismus ähnelt.
Wie viele andere Naturwunder ist auch der Bahnhof nur zum Teil oberflächlich sichtbar. Der Rest ist unter der Erde verborgen: Er ist ein architektonisches „Samenkorn, das unter der Erde keimt“ und zu einer riesigen metallenen Blume heranwächst.